Goldig, oder? |
Ihn gab es in diesem Jahr sehr
lange, auch wenn Ostern schon einige Wochen zurückliegt. Man könnte vermuten,
es seien die Tigerstreifen, die alle davon abhielten, sich dem Hasen zu nähern.
Ein wahrer Wolf im Schafspelz, der Angst macht? Doch so war es nicht. Cara und
Heinrich sagten, man dürfe solch einen armen Hasen doch nicht schlachten, der
sähe so süß aus. Ich verrate nichts Neues, wenn ich behaupte, er schmeckt auch
süß. Cara soll sich außerdem an Ostern vor drei Jahren erinnern. Da hatte sie
eine geringere Beißhemmung, aber da war auch Wut im Spiel und die tut manchmal,
aber wirklich nur manchmal, gut.
Und mein Gourmand-Gourmet-Bruder
hat sich bestimmt von Biggie beeinflussen lassen, die neulich zusammen mit anderen
Freundinnen bei Cara zu Besuch war. Zur Erinnerung, Biggie ist die
Shopping-Queen. Sie hatte aber auch mal ein Kaninchen, dem obigen Hasen nicht
unähnlich, und seitdem mag sie kein Fleisch mehr essen. Sie ist bekennende
Vegetarierin.
Als sie neulich kam, brachte sie
was zu essen mit, für alle, fast. Cara hatte natürlich auch was vorbereitet, aufwändiges
Fingerfood, aber ohne Paprika und Knoblauch, weil Biggie das nicht verträgt.
Biggie trug ein beeindruckend großes Tablett herein, dem ein verführerischer
Duft entströmte, dem ich mich nicht entziehen konnte. Nein, sie hatte nicht
selbst gekocht, sie hatte kochen lassen. Aber das war mir wurscht. Ich roch
Fisch. Und heraus kamen diese kleinen Reis-Röllchen. Ich konnte mich gar nicht
mehr zurückhalten, wobei mich der Reis weniger und das scharfe Zeugs dazu
überhaupt nicht interessierten. Cara,
die keinen Fisch verträgt, machte ein langes Gesicht und konnte ihre Zunge
nicht im Zaume halten. Im Nu entbrannte
eine hitzige Debatte, ob man denn Vegetarier sei, wenn man Fisch esse. Cara
fand es bigott und sagte das auch. Fische seien schließlich auch Tiere. Biggie
hielt ihr vor, sie sei nur sauer, weil sie die leckeren Röllchen nicht
vertrage. Fisch sei aber gesund und Cara würde sicher einiges fehlen. Maria,
die auch zu Besuch war, stimmte Biggie zu, Fisch sei äußerst wichtig wegen des
hohen Anteils an B6 und B12, das sei gut für stählerne Nerven. Sie könne sich
ein Leben ohne Fisch jedenfalls nicht vorstellen, nur dürfe er nicht in
Sahnesoße zubereitet sein, dann bekäme sie Bauchweh. Überhaupt diese ganzen
Milchprodukte, vor allem Käse, verkleben nur den Magen und seien nicht gut für
die Blutfettwerte. Ich hörte Cara nur vor sich hin brummeln:
„Scheiß auf das LDL!“
Puh, die Diskussion nahm Fahrt
auf und versprach, dass es ein lebendiger Abend würde. Nur Gina schwieg. Sie
aß das eine oder andere Sushi-Röllchen und befand eher kleinlaut, dass es ihr
mit den Dingern wie mit Tapas oder Fingerfood gehe. Dieser Kleinkram sei nichts
für sie. Es gehe doch nichts über ein
echtes deutsches Abendbrot. „Oh, kannst du haben“, sagte Cara, legte ihr das
leckere Krustenbrot hin, die Cervelatwurst und den deutschen Obatzda dazu, der
gut gegen die Fischröllchen anstinken konnte. „Jeder nach seiner Façon“, meinte Cara, und gab sich
scheinbar tolerant.
Dann holte sie noch das
2-Personen-Raclette-Gerät hervor, schnitt mehrere dicke Scheiben Käse und Schinken ab und ließ das Ganze unter dem
Grill ins Schwitzen kommen. Genüsslich schob sie sich ein Stück Brot mit dem
Käse-Schinken-Mix rein. Als Biggie das sah, meinte sie: „Oh, wenn ich diesen
Schinken sehe, wird mir ganz anders. Das arme Schwein. Wenn man bedenkt, unter
welchen Bedingungen es aufgezogen und geschlachtet wurde!“ Mal ehrlich, sie konnte nicht wissen, ob das
Schwein ein glückliches oder ein armes gewesen war, nur dass es jetzt auf jeden Fall mausetot war.
Mit einem Mal bemerkte ich,
wie die Ader an Caras Hals immer mehr anschwoll und es darin immer heftiger pochte.
Vielleicht doch zu viel LDL oder zu wenig B6 und B12, dachte ich bei mir, hielt
mich aber zurück. Plötzlich stieß sie mit lauter Stimme hervor. „So, jetzt ist
Finale, ihr Lieben!“ Ich glaubte, sie wolle alle rausschmeißen, aber sie holte nur
das Fleischmesser aus der Schublade und stieß dem Tigerhasen mitten in den
Rücken, brach ihn so auf, dass jeder
Jäger seine Freude gehabt hätte. „Bedient
euch, los, ran an den Speck!“ Man soll es nicht glauben, aber Biggie war die
erste, die sich ein großes Stück nahm. Nur Cathy, die bisher geschwiegen und
genüsslich gegessen hatte, sagte: „Ach, für mich lieber nicht. Da sind
Haselnüsse in der Schokolade und die vertrage ich nicht.“