Sonntag, 20. Mai 2012

Dank Freeclimbing zu den Nachbarn

Ich tauche gleich ab
Cara und ihre Freundin Biggie waren gestern verabredet, bei ihrem Lieblingsinder. Und ich wollte doch nur mal gucken, wie es da so aussieht. Auf das Essen bin ich nicht so scharf, ist mir zu scharf. Also habe ich mich in Caras großer Tasche versteckt. Sie schleppt ja immer so viel Zeug mit sich herum. Mann, was ich da alles entdeckt habe!

Doch ich bin ganz bös aufgeflogen. Zwar hatte ich mich in der untersten Ecke der Tasche zusammengerollt, aber genau da hat sie nach irgendetwas gesucht und mich gefunden. An den Ohren hat sie mich herausgezogen und war richtig ein bisschen böse. „So nicht, Freundchen! Du bleibst schön hier.“ Die Honigbonbons, die sie mir dann noch hingestellt hat, waren in meinen Augen und auch in meinem Mund keine Entschädigung. Doch ich wäre nicht Zottel, hätte ich keinen Plan B. 
  
Cara weiß nicht, dass ich die Balkontür alleine öffnen kann. Ich also nichts wie raus und mich an ihrem ausufernd rankenden Knöterich entlang gehangelt, und schwupps war ich auf dem Balkon ihrer Nachbarn Silvie und Robert.  

Zottel beim Freeclimbing
    Tarnung ist alles. Oder sieht mich jemand?

Ich musste mich gar nicht durch Rufen oder wildes Gestikulieren bemerkbar machen, Silvie hatte mich gleich im Blick und ließ mich herein. „Mensch, Zottel, wieder allein zu Haus?“ Ich grinste nur und sagte: „Nun nicht mehr.“ Die beiden haben sich richtig doll gefreut. Doch plötzlich sah mir Robert tief in die Augen, so nach Therapeutenmanier, und fragte: „Zottel, fühlst du dich eigentlich oft allein gelassen?“ Ich habe ein bisschen herumgedruckst und auf den Boden geblickt. Um die Tränchen in ihren Augen zu verbergen, eilte Silvie in die Küche und rief: „Zottel, du magst doch bestimmt ein Schälchen Erdbeer-Rhabarber-Grütze?!“ Na, wer wird da schon nein sagen? Damit war dann auch der rührselige Teil des Abends gegessen. Ich habe die Grütze weggeschleckt und war begeistert, wobei sie ihr beim letzten Mal besser gelungen war. Es fehlte ein bisschen Zucker. Und man weiß ja, Rhabarber ist ziemlich sauer und macht stumpfe Zähne. Aber gesagt habe ich natürlich nichts. Wäre doch sehr unhöflich gewesen.

Dann haben wir ihre Urlaubsfotos aus dem Breisgau geguckt. Da wollen sie nämlich demnächst wieder hin, aber auch einen Abstecher ins Elsass machen. Das war für mich ein gutes Stichwort und ich hatte einen Tipp für die beiden: „Also, wenn ihr nach Colmar kommt, müsst ihr unbedingt in die Boulangerie von Monique Toddier. Sie macht die besten Gugelhupf, die man sich denken kann.“ Monique Toddier ist nämlich die Tante von Monsieur Toddier, der die schönste Pâtisserie der Welt hat, und bei ihr hat er auch das Bäckerhandwerk von der Pike auf gelernt. Bei dem Wort Gugelhupf verzog Robert das Gesicht. Ich konnte ihn aber beruhigen, dass es bei Madame Toddier auch Gugelhupf ohne Rosinen gibt. Robert hasst nämlich Rosinen. Schon als kleiner Junge hat er sie aus dem Kuchen gepult, auch wenn er irgendwo eingeladen war. Dann lag da so ein unansehnliches Häufchen auf seinem Teller und er hat gesagt: „Ich esse doch keine toten Käfer”. Das war zwar nicht sehr fein, aber was will man machen? Kindermund eben. Natürlich habe ich den Rat nicht ohne Hintergedanken gegeben. Die beiden bringen mir nämlich immer was aus dem Urlaub mit und dieses Mal setze ich auf diese Spezialität aus dem Elsass.

Danach wurde es für mich aber Zeit, wieder auf die andere Seite zurückzuklettern. Zwei Pannen an einem Tag, das wäre selbst für mich zu viel. Robert hat seine Taschenlampe geholt, damit ich im Dunkeln nicht daneben trete und abstürze. Doch ich bin wieder gut gelandet und habe mich mit einem "Alles Roger im Tower" verabschiedet. Dann nur noch schnell hinein und die Balkontür geschlossen. Wann Cara kam, weiß ich nicht, ich bin gleich eingeschlafen und habe von einem ganz großen Gugelhupf geträumt.