Mittwoch, 30. August 2017

Nicht ganz echt ist gar nicht schlecht



Heinrich hat nicht gut geschlafen

Als ich neulich berichtete, dass der Name Teddy aus den USA stammt, haben sich sicher einige gefragt, wieso man in Deutschland diesen Namen für uns Plüschbären übernommen hat. Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht, aber ich finde den Namen Teddy recht schön und warum ihn dann ändern?  


Das sagte ich auch zu Heinrich. Der war aber an dem Tag etwas garstig drauf, wahrscheinlich mit dem linken Bein aufgestanden oder überhaupt zu früh aus dem Bett gefallen. Jedenfalls warf er sein Kochbuch in die Ecke, was für ihn untypisch ist. Er geht sonst sehr liebevoll mit Büchern um. An diesem Morgen aber nicht. Und so riss er mir meine Lektüre aus den Pfoten, wo ich es doch gerade so  spannend zu lesen fand, wie der Teddy in Amerika seine steile Karriere begann. 


Mein Bruder brummte nur: „Hier, ein Kapitel weiter, da steht es doch. Margarete Steiff hat Teddys hergestellt. Das ist die Frau, die allen Plüschtieren einen Knopf ins Ohr gepierct hat. Um ehrlich zu sein, ich finde das ziemlich brutal, schließlich sind wir keine Kühe auf der Weide. Und auch die…“ Meine Leser merken schon, es war Heinrichs Tag, an dem er ein Haar in der Suppe zu finden hoffte, und zufrieden war, dass er den Knopf im Ohr entdeckt hatte. Plötzlich grinste er hämisch und meinte: „Kannste mal sehen, hat ihr erst mal keinen Erfolg gebracht, das mit den Teddys und den Piercings.“ Da er so in Rage war, wollte ich lieber nicht fragen, was die ganze Geschichte mit dem übernommenen Namen Teddy zu tun habe, und hielt einfach mal mein Maul. 


Heinrich hingegen stopfte sich ganz genüsslich einen Honigbonbon in sein Maul und schaute danach auch gleich viel fröhlicher aus: „Hör zu, Zottel, nun kommt’s! Die Margarete hatte einen Bruder und Brüder sind oft sehr, sehr schlau.“ Dann machte er eine kleine Pause und sah mich eindringlich an. Während er noch auf dem Bonbon herumlutschte, sagte er: „So hat dieser Bruder sich die Teddys unter den Arm geklemmt und ist nach Leipzig gefahren, um sie dort auf der Messe zu zeigen. Ist ein bisschen so gewesen wie heute mit der schreibenden Zunft. Da fahren auch alle im Frühjahr zur Leipziger Buchmesse. Scheint sich zu lohnen.“ 

Mein Bruder steckte sich erneut einen dicken Bonbon ins Maul, hielt einen Moment inne, um es spannend zu machen, und meinte dann: „Die Teddys aus Deutschland gefielen einem Geschäftsmann aus Amerika. Der hat nicht lange gefackelt und gleich so viele über den großen Teich geholt, dass Mr. Michtom und seine Frau einpacken konnten.“
Honigbonbons für Heinrich

Allmählich war Heinrich ruhiger geworden. Die Geschichte schien ihm zu gefallen oder vielleicht lag es auch an den Honigbonbons. Süßes ist gut für die Nerven. Jedenfalls gab er mir irgendwann das Buch zurück und ich konnte weiterlesen. Schließlich hatte ich das Buch geschenkt bekommen und nicht er. Und jetzt kann ich auch berichten, wieso ich Zottel heiße.   


Der Erfolg der Margarete Steiff blieb nicht ohne Folgen. Sie wollte einen ganz besonderen Teddy schaffen. Heraus kam dabei der Zotty[1]. Er hat – wie könnte es anders sein – solch zotteliges Fell wie ich. Nur eine Kleinigkeit war anders. Nein, ich meine nicht den Knopf im Ohr, ich denke an das Brustfell, das heller und glatter ist, und vor allem an Zottys Maul. Es steht immer offen. 

Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass ich kein echter Zotty bin, denn man weiß ja, was man von jemandem zu halten hat, der ständig sein Maul aufreißt.







[1] Maureen Stanford und Amanda O’Neill: Die Geschichte der Teddybären – Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Karl-Müller-Verlag, Erlangen 1995