Dienstag, 24. Januar 2017

Ich bin ja nicht abergläubisch


Eigentlich bin ich nicht neidisch auf das Glück anderer und abergläubisch bin ich erst recht nicht. Doch Cara schwört darauf, dass ihr Ganzjahresengel ihr Glück bringt, dass er geradezu ein Schutzengel sei. Immer dann, wenn sie eine kleine Unterstützung braucht, dann sei er für sie da. Darauf könne sie sich verlassen.
Caras Ganzjahresengel

So hat sie neulich, als mal wieder Ebbe im Portemonnaie war, Lotto gespielt. Wer rechnen kann, lässt besser die Finger davon. Doch sie ließ sich nicht beirren. Gut, den Jackpot hat sie nicht geknackt, aber immerhin 10 Euro gewonnen. Das war zwar weniger als der Einsatz, aber sie meinte: „Versuch macht klug!“, nahm das als ein gutes Omen und freute sich wie die sprichwörtliche Schneekönigin. An diesem Tag hatte es auch gerade etwas geschneit. Der Vergleich passt also. Doch so schnell wie der Schnee von den Dächern verschwand, waren auch die 10 Euro weggeschmolzen. Ich fand jetzt nicht, dass das ein Wahnsinnsgewinn war, auch wenn das Engelchen schmunzelte, als wüsste es mehr.

Und tatsächlich erhielt Cara an diesem Tag noch einen Anruf. Eine unwiderstehliche sexy Männerstimme versprach ihr: „Sie haben gewonnen! Eine wunderbare Reise, die keine Wünsche offen lässt, wartet auf Sie. Wenn Sie jetzt auf die Sieben  tippen, erfahren Sie mehr.“ Nun muss man wissen, dass die Sieben Caras Lieblingszahl ist, geradezu ihre Glückszahl. Also tippte sie   nein,  nicht auf die Sieben – sondern sich an die Stirn und lachte sich kaputt. „He made my day“, schallte es durch den Raum. Ja, auch sie hat es sich angewöhnt, Anglizismen zu verwenden. Vielleicht denkt sie, das sei modern oder ich würde nicht verstehen, was sie sagt. Doch ich bin ja nicht blöd.

Das Engelchen lächelte weiterhin, als wisse es längst mehr. Ich glaube, es kann gar nicht anders. Dieses Dauergrinsen ist ihm ins Gesicht zementiert. Während ich noch über Engelchens Lächeln und seine Bestimmung nachdachte, schellte es an der Wohnungstür. „Wer mag das sein?“, fragte Cara. „Weihnachten ist vorbei, also mit dem Weihnachtsmann würde ich jetzt nicht rechnen“, entgegnete ich, weil es eine gewisse Logik hatte und weil mir überflüssige Fragen auf den Geist gehen. Da macht man doch schnell die Tür auf und das vermeintliche Geheimnis ist gelüftet. Auf diese Idee kam nach kurzem Zögern Cara auch. Länger hätte sie aber auch nicht zaudern sollen, denn es war der DHL-Bote und der warte nicht stundenlang, ob ihm aufgetan wird. Doch Glück für beide Seiten: Er wurde sein riesiges Paket los, Cara quittierte mit krakeliger Unterschrift wie eine Erstklässlerin und nahm das große, aber recht leichte  Paket in Empfang. 

„Was mag da wohl drin sein?“, fragte sie. „Wie wäre es mit öffnen?“, fragte ich zurück, so rein rhetorisch, denn noch ist uns nicht die Fähigkeit gegeben, durch Pappe hindurchzuschauen. Umständlich, aber vorsichtig entfernte sie das Klebeband, schlug dann die Pappdeckel zur Seite und holte eine Menge an kosmetischen Produkten hervor: Seifen, Duschgels, Gesichtscremes, Body-Lotions und sogar einen Lippenstift, auch noch in ihrer Lieblingsfarbe. Eben alles,  was ein Frauenherz beglückt. Doch damit nicht genug. Als  habe der Absender gewusst, dass hier auch Bären sind, die sich waschen wollen bzw. sollen, waren auch spezielle Teddy-Produkte dabei. 
Wasch mir mein Fell, aber mach mich nicht nass!

Das Überraschungspaket kam für Cara wie aus heiterem Himmel. Mich hatte es weniger beeindruckt, denn schließlich hatte sie in der Adventszeit  enorm viel Zeit investiert und an allen nur denkbaren Adventskalender-Spielen teilgenommen, sodass zum einen die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns recht groß war, ihr aber auch die so eingesetzte  Zeit zum Geldverdienen fehlte.  Daher die Ebbe im Portemonnaie, wie oben erwähnt.

Jedenfalls strahlte sie überglücklich und sprach die wissenden Worte: „Da sieht man mal wieder, ein Engel im Haus und alles wendet sich zum Guten.“ Nun fand ich jedoch, dass für mich, meinen Bruder und alle anderen Bären nicht so viel rübergekommen war, sieht man mal von dem bisschen Seife ab. Ich hätte mich mehr über ein Paket mit Esswaren gefreut und mein Bruder der Gourmet-Gourmand  erst recht.

Ich gebe zu, es beschlich mich ein leichter Zweifel, ob  mir nicht doch ein Schutzengel fehlt. Und als könne Cara Gedanken lesen, sagte sie: „So, Zottel, du kleiner Zweifler. Guck nicht so enttäuscht! Du sollst es doch gut haben und Heinrich auch. Darum habe ich eine Überraschung für euch.“ Ich kann zwar keine Gedanken lesen, aber mein Hunger war so groß, dass ich sofort wusste, dass mein Bruder bei diesen Worten an Schinken und Käse dachte, während ich von einem Stück Graved Lachs träumte. 

Doch was wir bekamen, sah dann doch etwas anders aus. Nun können wir nur hoffen…. 
Zottels Schutzengel
Heinrichs Schutzengel