Dienstag, 29. November 2016

Adventskalender und Geschenkefinder


Wir haben einen Adventskalender geschenkt bekommen. Im ersten Augenblick habe ich mich sehr gefreut. Wäre ja auch blöd, wenn nicht. Doch dann sah ich genauer hin. Ein Teddy – mit einiger Fantasie hätte ich es sein können – blickt durch ein Fenster auf das verschneite Freiburger Münster. 
Unser Adventskalender - natürlich mit einem Bären
Nein, es hat mich nicht das Fernweh gepackt, sondern die Frage: Was hat er, was ich nicht habe? Warum gibt es keinen Kalender, wo ich aus dem Fenster auf den verschneiten Hamburger Michel gucke? Ich schaue höchstens in den Innenhof. Und das ist nicht dasselbe. Wie jeder erkennen kann.
Ich schaue in den Innenhof. Kein Vergleich zu oben.

Im Moment schneit es hier zwar nicht, aber Anfang November wäre die Gelegenheit für solch ein Foto gewesen. Doch mich fotografiert ja niemand. Cara fehlt es an Talent und ihre Freundin, die so was kann und einen Kalender nach dem anderen zaubert, fotografiert Landschaften, immer nur Landschaften, aber keine Teddys. Dabei will ich ja gar nicht auf einen Jahreskalender, sondern  auf einen Adventskalender. Nur einmal im Jahr für schlappe 24 Tage die Hauptperson sein. Ein bäriger Traum.

Mein Bruder hatte mit dem Adventskalender ein ganz anderes Problem. Er wollte sofort die Türchen öffnen, um zu sehen, welche Schokolade sich dahinter verbirgt. Es war ihm am Sonntag sehr schwer beizubringen, dass man nicht am 1. Advent das erste Türchen öffnen darf, sondern erst am 1. Dezember. Ich erspare meinen Lesern die langen Erklärungen, die es bedurfte, bis er das kapiert hatte. Danach hat er sich vom Kalender abgewandt und sich wieder in seine Kochlektüre vertieft.

Cara hatte sich wiederum um ganz anderes den Kopf zermartert. Sie hatte eine lange Liste aufgestellt mit den Namen ihrer Freundinnen – damit bloß keine vergessen wird. Und doch wusste sie nicht, was sie ihnen zu Weihnachten schenken soll. Ihr wollte partout nichts einfallen. Konzentriertes Nachdenken war angesagt und Plätzchen wurden nicht gebacken, wie wir es erwartet hatten. 

Insgesamt kann man sagen, dass die Stimmung hier nicht auf dem Höhepunkt war. Nur Gustav, der Unternehmer-Bär, der sich vor einiger Zeit bei uns erholen musste und danach beschloss, seine Geschäfte von hier aus zu regeln, hatte extrem gute Laune. Das liegt vor allem daran, dass es bei ihm in diesem Jahr wieder so richtig  in der Kasse geklingelt hat. Gute Zeiten – gute Laune, sage ich nur. Und dann ist auch der Kopf wieder frei, um an Charity zu denken. Um ehrlich zu sein, hätte ich das Gustav gar nicht zugetraut, doch auch ich irre mich mal. Das Leben hier bei uns hat wohl einen guten Einfluss auf ihn gehabt. Jedenfalls will er sich nun großzügig zeigen, zumindest Heinrich gegenüber. Er hatte erfahren, dass es ein Kochbuch von Refugees gibt, die darin Rezepte aus ihrem Heimatland niedergeschrieben haben. Das ideale Geschenk für meinen Bruder.

Als ich Cara davon erzählte, schaute sie erst mich, dann Gustav an, nahm uns in den Arm, drückte uns, bis wir keine Luft mehr bekamen, und rief freudig aus: „Ach, ihr seid zwei süße Engelchen!“ Vor Verblüffung wusste ich gar nicht, wie mir geschah, denn Engelchen hatte sie mich noch nie genannt. Und auch all ihre Dackelfalten waren im Nu verschwunden, als hätte Dr. Botox gerade kleine Wunder an ihr vollbracht. Schnell griff sie zum Kugelschreiber und setzte hinter jeden Namen auf ihrer Geschenkeliste: Kochbuch der Geflüchteten. „Fertig! Zeit für anderes!“, rief sie begeistert aus.    

Was das Andere sein könnte, weiß ich schon. Ich finde, nun kann sie mich fotografieren lassen, sodass ich zumindest im nächsten Jahr auf einem Adventskalender zu sehen bin.