Freitag, 22. Juli 2016

Heinrich liest und Zottel stellt sich Fragen


Heinrich liest, aber was?
Mein Bruder liest. Das ist an sich nichts Besonderes. Doch neu ist, dass er sich nicht einem Kochbuch widmet.  Was er jetzt vor der Nase hat, weiß ich nicht, doch er macht mich neugierig, weil er stets vor sich hinmurmelt: „So viel Fantasie“ oder „darauf muss man erst mal kommen“. Ich gucke verstohlen rüber und denke, er hat sich vielleicht einen Harry Potter Band aus dem Regal genommen und liest sich jetzt fest. Wäre ja mal was anderes. Nun, mir soll es egal sein, ich werde jetzt wieder in Ruhe schreiben. Das ist mir das Wichtigste.  

Dann sagt er mit verträumten Blick: “Maria Peperoni Sanchez würde ich gern mal treffen.“ Jetzt ist es mit meiner Konzentration vorbei. Bei welchem Schriftsteller kommt diese Figur vor? José Ortega y Gasset? Gabriel García Márquez? Jorge Luis Borges? Mir fällt nichts ein und das macht mich rasend. Ich frage Cara. Sie weiß es auch nicht, meint nur völlig entspannt: „Das Einfachste wäre ja, du würdest zu deinem Bruder gehen und ihn fragen, oder?“  Nun ist es so, dass ich mir ungern die Blöße gebe, mich in der Weltliteratur nicht auszukennen. Nachher sagt Heinrich zu mir: „Das ist doch ganz klar. Maria Peperoni Sanchez ist die Tochter von Carla Peperoni Sanchez aus dem Roman Hundert Jahre Einsamkeit.“ Das war jetzt nur mal so ein Beispiel, denn ich weiß wirklich nicht, ob diese beiden Frauen in dem Werk vorkommen. Also taste ich mich an die Sache und meinen Bruder heran: „Heinrich, und wieso möchtest du diese Maria denn kennenlernen?“ Er denkt einen Moment nach und antwortet dann voller Verzückung: „Ach, ich kann es auch nicht so genau sagen, aber mit diesem Hut und Regenschirm hat sie so was Stolzes und zugleich Liebenswertes.“ Da geht mir ein Licht auf und ich sage mit einem wissenden Schmunzeln zu ihm: „Heinrich, du meinst Mary Poppins.“  Da schnellt mein Bruder aus seinem Sessel hoch und meint: „Du hast ja keine Ahnung, du Kunstbanause! Ich lese und betrachte gerade die Food-Fantasien von Herrn Grün.“ Food-Fantasien, natürlich, ich hätte es wissen müssen, wenn mein Bruder ein Buch zur Hand nimmt, dann hat es was mit Essen und Kochen zu tun.
Heinrich und seine Liebe zum Essen und Kochen