Dienstag, 28. Juni 2016

Jetzt heißt es: Flagge zeigen!


EM und kein Deutschlandfähnchen auf dem Balkon
Bei dieser Fußball-EM weht keine deutsche Flagge auf unserem Balkon. Sonst habe ich immer eine  in den Balkonkasten gesteckt, damit jeder sehen kann, für welche Mannschaft mein Herz schlägt. Das nennt man Flagge zeigen. Doch diesmal ist mir der Spaß daran gründlich vergangen. Es liegt nicht an unserer Elf, sondern an den Briten. Sie wollen nicht mehr mitspielen, jedenfalls nicht in Europa. Damit hatte ich nicht gerechnet und ich verstehe es nicht, denn so ein gemeinsames Europa hat doch was Nettes. Nur mal so als Beispiel: Ist man auf Reisen, merkt man gar nicht, dass man eine Grenze überschreitet. Das verschafft ein echtes Wir-Gefühl und man vergisst schnell, dass es hier und da unterschiedliche Auffassungen gibt. Doch die gibt es immer und überall, innerhalb einer Familie, unter Freunden, innerhalb eines Landes. Wenn ich da allein an unsere vielen Bundesländer denke, die wir haben. Von den Parteien spreche ich schon mal gar nicht. 

Aus diesem Grund sind mein Bruder und ich der Meinung, dass man jetzt nicht mit der Deutschlandfahne herumwedeln sollte, das könnte als nationalistisches Zeichen verstanden werden und alles nur noch schlimmer machen. Wir sind schließlich bekennende Europäer. 

Deshalb haben wir uns auch auf den Weg gemacht und wollten eine Europa-Flagge kaufen. Meine Leser wissen schon, goldene Sterne auf blauem Grund. Doch wir hatten kein Glück. Alle Fähnchen waren ausverkauft. Dabei waren wir in ein Spezialgeschäft gegangen. Wie konnte das nur passieren? Bei Facebook hat fast niemand sein Profilbild in eine Europa-Flagge verwandelt. Das hat uns übrigens sehr verwundert. Dass Cara das nicht gemacht hat, war mir klar. Nein, nicht aus Nachlässigkeit, sie hatte wahrscheinlich Schwierigkeiten mit der Technik und wusste nicht, wie das geht.  

Jedenfalls haben wir im Geschäft mal nachgefragt, woher dieser Ausverkauf der Europa-Flaggen kommt. Der Geschäftsführer sagte wie aus der Pistole geschossen: „Well, you are a little bit too late.“ Dann wurde er ganz rot und entschuldigte sich: „Sorry, ich hatte gerade einen Anruf aus London und wollte sagen, die Europa-Flaggen habe ich soeben alle verkauft und sie sind schon auf dem Luftweg nach England.“  

Wow, London Calling-Szenario? Es scheint mir nun doch so, dass einige Briten Flagge zeigen wollen. 
Ich halte sie hoch, heimlich und nur drinnen,
wenn wir am Samstag gegen die Azzurri spielen.

Mittwoch, 8. Juni 2016

Heinrich hatte einen Traum und ist voller Begeisterung



Heinrich hat geträunt und ist verträumt
Während ich gestern schon mal alles für die Fußball-EM bereit legte, damit wir unsere Jungs anfeuern können, saß mein Bruder da und träumte vor sich hin. „Du kannst mir ruhig helfen, all diese Girlanden zu entwirren“, sagte ich zu ihm. Da bekam ich zur Antwort: “Ach was ist schon Fußball, wenn man einen solch wundervollen Traum hatte wie ich in dieser Nacht!“ Erst wollte ich mich ein bisschen ärgern, weil er sich aus vor der Arbeit drückte, doch dann siegte meine Neugierde. „Na, erzähl schon!“, feuerte ich ihn an, wobei das im Grunde nicht nötig war, denn er sprudelte sogleich los. „In dieser Nacht ist mir eine strahlend bunte Schnecke begegnet. Sie sah sehr glücklich aus und hat zu mir gesprochen.“ 

Die sprechende glückliche Schnecke

Dann blickte er versonnen gegen den bewölkten Himmel und hielt inne. Meine Neugierde wuchs. „Und was war dann mit der Schnecke?“ „Sie hat zu mir auf Englisch gesprochen“, antwortete mein Bruder. Na, das wurde ja immer verrückter. „Sie sagte zu mir: I have a dream..“

Nun dämmerte es mir, wie mein Bruder zu diesem Traum und dem Ausspruch kam. Wir hatten vor einigen Tagen nicht nur über Muhammad Ali, den erfolgreichen Boxer und mutigen Kriegsverweigerer gesprochen, der dann doch in Atlanta das Olympische Feuer entzünden durfte, sondern Cara hatte uns auch von dem anderen farbigen Amerikaner erzählt, Martin Luther King, der eben diesen Satz “I have a dream“ gesprochen hatte. Und letztlich hatte sich sein Traum auch erfüllt, wenigstens ein bisschen, denn die USA haben schließlich seit einigen Jahren einen farbigen  Präsidenten.

Dennoch wollte ich mehr über die Schnecke und ihren Traum hören. Heinrich berichtete, dass sie immer gehofft hatte, nicht mehr braun zu sein, sondern farbig. Das sähe nicht nur hübscher aus, sondern würde die Menschen auch davon abhalten, Schnecken nach dem Leben zu trachten, sie zu sammeln und zu essen. Sie würden dann bestimmt denken, mit diesen bunten Schnecken stimmt was nicht, die haben etwas gegessen, das sie nicht nur farbig, sondern auch noch giftig macht. Und so würden die Schneckenfresser abgeschreckt. Ich war nicht so ganz davon überzeugt. Diese Schnecke hat bestimmt in Deutschland gelebt und kennt die Franzosen nicht. Die würden sich sagen: „Guck mal, die Schnecken haben ihre Farbe geändert, um uns hinters Licht zu führen. Da haben sie die Rechnung aber ohne den Wirt und vor allem seine Gäste gemacht.“ Und schwupps schon stünden sie wieder auf der Speisenkarte und landeten mit Kräuterbutter auf den Tellern. Doch ich wollte meinem Bruder nicht die Illusion rauben und schwieg. Er hingegen sagte, dass ihm die Schnecke auch noch gesteckt habe, dass der Trend zu vegetarischem Essen radikal auf dem Vormarsch sei und sich durchsetzen würde. Sie demonstriere mit allem, was sie habe, für diesen Trend, wie man letztlich auch sehen könne. Ihr Körper sei jetzt schon so grün wie der schönste Salat oder Rosenkohl und ihr Haus so rot wie reife Kirschen oder Himbeeren. Und als besonderen Schmuck trage sie auberginefarbene Ornamente.

Dann blickte mich mein Bruder erwartungsvoll an und ich merkte, wie das Strahlen in seinen Augen seine Begeisterung ausdrückte, die ich gefälligst mit ihm teilen sollte. Die Schnecke, dieser farbige Trendscout, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Puh, da hatte ich mit den Baci wohl doch das falsche Geburtstagsgeschenk besorgt, und hätte ihm besser das Buch Herr Grün kocht kaufen sollen. Als Cara mein betrübtes Gesicht sah, wollte sie mich trösten und meinte: „Das ist schon gut so mit den Baci, du kannst Heinrich ja mal an dein Tablet lassen, dann kann er online gehen und das Blog verfolgen.“ Ich schrie voller Entsetzen: „Niemals! Ich teile alles mit ihm, aber nicht das Tablet. Da schaut er den ganzen Tag nach den Food-Blogs und davon gibt es unendlich viele. Da komme ich gar nicht mehr zum Schreiben. Ich gehe jetzt los und kaufe ihm das Buch und gut ist.“  

Freitag, 3. Juni 2016

Hoffnung auf eine Geburtstagsüberraschung



Unser Geburtstag naht
Am 9. Juni haben mein Bruder und ich Geburtstag. Nun muss mir schnell ein passendes Geschenk für Heinrich einfallen. Da er das Kochen so liebt, hatte ich an Grillspieße gedacht, denn schließlich beginnt gerade die Saison. Oder auch ein schönes scharfes Messer wäre ideal. Denn das hört man von Köchen immer wieder, auf ein gut schneidendes Messer kommt es an.

Irgendwie hatte ich diese Gedanken wohl  vor mich hingemurmelt, denn plötzlich geschah, was hier sonst nie passiert, Zottelinchen, die sonst nur stumm Pirouetten tanzt, sprach zu mir, und das gar nicht so knapp, dafür umso aufgeregter: „Zottel, das kannst du nicht machen! Spitze, schneidende oder scharfe Gegenstände darf man nicht verschenken. Das zerstört die Freundschaft. Und das willst du doch wohl nicht riskieren?“ Nein, das wollte ich keinesfalls riskieren, denn schließlich liebe ich meinen Bruder, auch wenn wir manchmal anderer Meinung sind. Ich erinnere mich noch daran, wie aufgeregt und ängstlich ich war, als er seine Augenoperation hatte. War ich da froh, als alles gutgegangen war!

Vielleicht sollte ich ihm eine schöne Küchenwaage schenken, damit er nicht das Maß der Dinge verliert. Doch gute Küchenwaagen sind nicht ganz billig. Und schon meldete sich wieder Zottelinchen zu Wort: „Dein Bruder kocht doch auch gar nicht so gern. Er berauscht sich an den Rezepten und lässt kochen, in seiner Fantasie und manchmal auch in der Wirklichkeit. Schenk ihm doch ein Kochbuch.“

Ich überlegte, wie viele Kochbücher er wohl schon hat, und fragte mich, ob er sich über ein weiteres noch freuen könnte. Neulich hatte ich eines entdeckt, das wirklich sehr schön war. Es heißt: Herr Grün kocht. Und wenn Herr Grün das hält, was sein Name verspricht, dann bringt er eine große Portion Hoffnung mit. Also könnte ich Heinrich Hoffnung schenken. Was für eine großartige Idee! Ich kam mir gerade sehr philosophisch vor, doch nun mischte sich auch noch Gustav ein, der coachende Unternehmer: „Geh doch in den Gewürzeladen bei Euch um die Ecke und kaufe ihm dort was Schönes, vielleicht Salz aus Persien in einer sehr schicken Mühle. Das gibt es schon für wenig Geld und man findet es nicht überall. Wenn du ihm allerdings zeigen willst, dass du ihn liebst, dann schenke ihm was Süßes, die leckeren Baci aus Perugia. Du weißt doch, wie es in der Werbung heißt: „Guten Freunden schenkt man gern ein Küsschen.“

… und seinem Bruder eben Baci, ging es mir durch den Kopf. Genau das werde ich machen.  Ich gehe jetzt gleich los und kaufe ihm die leckeren Baci. Und wenn er ein wirklich lieber Bruder ist, dann schenkt er mir eines zurück.