Donnerstag, 22. Januar 2015

Altruist sein – gönnen können


Ich freue mich immer, wenn meine Nachbarn nicht arbeiten müssen, es sich gutgehen lassen  und in Urlaub fahren. Schließlich soll man anderen Schönes gönnen, dann sei man ein Altruist, hat Cara mir erklärt. Und wenn man sich freut, dass es andere gut haben, dann bekommt man meistens auch was zurück, sei es vom Universum oder – wie in meinem Fall –  von den Nachbarn. Das klappt. Meine Leser sollten das ruhig mal ausprobieren. 

Dieses Mal haben mir meine Nachbarn eine Karte geschickt. Keine Ansichtskarte von dem Ort, an dem sie ihre Ferien verbracht haben, sondern eine bärige Zottelbär-Karte. Ich fand, das war eine wunderschöne Idee. Sie haben sich also gedacht, ach, der arme Zottel sitzt in der Kälte und kann nicht verreisen, da geben wir von unserem Glück etwas ab und machen ihm mit einer Karte eine Freude. Das hat funktioniert. 

Mein Bruder war allerdings nicht so begeistert. Er hätte es schöner gefunden, wenn er mit ihnen auf die Reise gedurft hätte oder sie zumindest etwas aus dem Urlaub mitgebracht hätten. Das fand ich ziemlich egoistisch. Nur weil er versessen aufs Essen ist, hat er an das Mitbringsel von vor zwei Jahren gedacht. Da waren sie nämlich auf Sizilien und hatten Dolci mitgebracht. Für alle, die nicht wissen, was Dolci sind, es handelt sich dabei um wunderbare Gebäckstücke. Und die Sizilianer – Mafia hin, Mafia her – sind Meister im Herstellen dieser Köstlichkeiten. 

Da es diesmal keine Süßigkeiten gab, hat mein Bruder versucht, diese Marzipan-Mandelkekse nachzubacken. Ich will ja nicht schlecht über ihn reden, doch lecker waren die nicht, aber steinhart. Cara hat beherzt hineingebissen und musste anschließend zum Zahnarzt, weil ihr ein Stück Zahn weggebrochen war, ausgerechnet von einem Schneidezahn.  Da sah sie aus wie eine Hexe. Doch das habe ich ihr natürlich nicht gesagt.  Der Vorteil war, sie hat bis zum Zahnarzttermin nicht viel geredet. Unglaublich, wie still es hier war.

Um den Schaden zu beheben, hat der Arzt  ihr dann eine Krone auf den Zahn gesetzt. Der Name Krone sagt eigentlich schon alles. Danach benahm sie sich wie eine Königin. Hat gestrahlt und geprahlt und erzählt, dass keiner mehr zu Wort kam. Da blieb mein Altruismus ziemlich auf der Strecke. Ich konnte mich gar nicht richtig mit ihr freuen, so sehr ging mir ihr Redeschwall auf die Nerven. Doch damit hatte es ein abruptes Ende, als die Zahnarztrechnung ins Haus kam. Plötzlich wurde sie ganz still, hat traurig auf ihre Kontoauszüge  geblickt und ziemlich viel arbeiten müssen. 

Wer jetzt denkt, das hätte mich gefreut, der irrt. Leid hat sie mir getan. Heinrich und ich haben also unser Erspartes genommen und sind mit dem Zaster zu Monsieur Toddier gegangen. Wer hier nicht regelmäßig liest, muss wissen, Monsieur Toddier besitzt die schönste Pâtisserie der Welt. Baumkuchen-Torte ist Caras Lieblingskuchen. Bäume haben harte Rinde, dachte ich sofort. Wir wollten schließlich kein Risiko eingehen und haben uns für Biskuitkuchen mit Zitronensahne entschieden. Hatte auch den Vorteil, dass man drei Schnittchen für den Preis eines Stücks Baumkuchen bekam. Passte perfekt, schließlich müssen wir uns auch mal was gönnen.
Keine Baumkuchen-Torte für Cara

Sonntag, 11. Januar 2015

Paddington – very british


Das neue Jahr hat recht stürmisch begonnen. Sogar Cara ist zuhause geblieben, hat zwar oft den Fernseher angestellt, um informiert zu sein, letztlich aber eine DVD mit dem Titel „16 Uhr 50 ab Paddington“ eingeschoben. 

Ich erwartete also, dass dieser englische Bär mit Schlapphut und braunem Mantel erscheint. Doch zu sehen bekam ich einen Krimi. Ich hätte es wissen müssen, Cara liebt Krimis, vor allem wenn sie in England spielen. Es war leider auch noch ein Schwarz-Weiß-Film, ziemlich langweilig, wenn man mich fragt. Somit achtete ich weniger auf die Handlung, sondern hing meinen Gedanken nach.

„Du, Cara, ich will ja nicht stören, aber wieso heißt dieser englische Bär nicht Jimmy, John oder Henry, sondern Paddington wie die Londoner Bahnstation?“ „Zottel, nicht jetzt, lass mich den Film gucken.“ Ehrlich gesagt, hatte ich die Vermutung, sie wusste es nicht, warum der Bär solch einen komischen Namen hat und darum ließ ich nicht locker. „Ich finde das seltsam, da könnte ich ja Schlump heißen oder Blankenese.“ Cara seufzte tief und stoppte die DVD. „Pass mal auf, Zottel, Paddington heißt Paddington, weil er auf der Bahnstation gefunden wurde.“ Das hat mich geschockt. „Oh, hat man ihn etwa ausgesetzt, so wie Jens Eltern Heinrich auf die Mauer gelegt haben?“ „Nein, Zottel, Paddington ist als blinder Passagier per Schiff aus dem finstersten Peru gekommen. Dann hat er in London um Asyl gebeten und eine Familie hat ihn bei sich aufgenommen. Das ist seine Geschichte.“ Da hat es mir die Sprache verschlagen. Ein Bär mit Migrationshintergrund! Und Glück hat er gehabt mit seiner Familie. Der Mann war zwar erst reichlich skeptisch, aber die Frau hat gleich ihr großes Herz bewiesen und gemeint, man könne ihn ja nicht so  allein draußen in der Kälte stehen lassen.

Ehrlich gesagt, dass Paddington aus Peru stammt, hätte ich nun nicht gedacht. Da vermutet man doch, dass er einen bunten, gewebten Poncho trägt, Panflöte spielt und eine Strickmütze auf dem Kopf hat. But he looks very british, wenn ich das mal so sagen darf. Na ja, meine Leser wüssten ja auch nicht, dass Heinrich und ich aus Asien stammen, hätte ich es nicht hier im Blog ausgeplaudert. Ich finde, Paddington hat ganz schön Glück gehabt mit seiner englischen Familie. Heinrich und ich aber auch, denn nicht nur Cara ist es völlig egal, aus welchem Land wir stammen, auch ihre Nachbarn und Freundinnen interessiert es nicht. Sie lieben uns, wie wir sind, auch wenn wir manchmal ganz schön nerven und während eines Films Fragen stellen, die stören.