Dienstag, 12. Mai 2015

Ich bin doch kein Bremer


Am Sonntag gab es mal wieder eine Wahl in Deutschland, diesmal in Bremen. Und wiederum durften nur Menschen und keine Tiere wählen. Das regt mich immer noch auf und meinen Bruder auch. Das Schlimmste aber ist für uns, dass die  Menschen so  faul sind,  keine  Lust haben, sich um  ihre Stadt zu kümmern, jedenfalls die Hälfte der Bewohner nicht. Das muss man sich mal vorstellen, sie  sind nicht zur Wahl gegangen. Für mich unfassbar. Da habe ich dann gar nicht mehr auf das Ergebnis geguckt. Nun müssen sie damit leben, wie es gekommen ist. Und seine Stimme erheben und jammern darf nur, wer auch am Sonntag seine Stimme abgegeben hat.  

Da fragt man sich als Bär aber auch, was eigentlich  mit den Bremer Stadtmusikanten los war. Sie hätten den Menschen ja mal auf die Sprünge helfen und ihnen stecken können, dass wer die Wahl hat, am Ende weniger Qual hat. Sie hatten schließlich einst auch die Wahl, sich willenlos zum Abdecker führen zu lassen oder die Beine und damit ihr Schicksal in die Hand zu  nehmen. Doch auch sie sind träge geworden oder ihnen tut die Bewunderung durch die Touristen nicht gut. Vielleicht können sie nur noch wie ein schön beleuchtetes Denkmal herumstehen. Doch Beleuchtung bringt noch keine Erleuchtung und somit kam Hilfe von ihnen nicht.   

Seltsam, dass ich gerade jetzt an Jean-Luc denken muss, der nun bestimmt nicht zu meinen Lieblingsmenschen zählt. Und ich war froh, als er hier bei Cara nicht mehr auftauchte. Sein selbstgefälliges Gerede ging mir ganz schön auf die Nerven. Eines muss man ihm allerdings lassen. Er hat Caras Wohnzimmer tapeziert, alle Deckenleuchten angebracht, ihr eine Kommode aus dem Hause Knut zusammengebaut, und das alles ganz allein. Wollte Cara ihm helfen, sagte er immer: „Ich bin doch kein Bremer.“ Wieder so ein blöder Spruch, dachte ich damals. Erst jetzt habe ich verstanden, was es damit auf sich hat. Jean-Luc ließ sich die Dinge eben nicht aus der Hand nehmen. Da muss ich nun wohl Abbitte tun, also bei Jean-Luc, nicht bei den Bremern.
Wir hätten unser Wahlrecht genutzt

Mittwoch, 6. Mai 2015

Vertragen und Verträglichkeit


Goldig, oder?
Ihn gab es in diesem Jahr sehr lange, auch wenn Ostern schon einige Wochen zurückliegt. Man könnte vermuten, es seien die Tigerstreifen, die alle davon abhielten, sich dem Hasen zu nähern. Ein wahrer Wolf im Schafspelz, der Angst macht? Doch so war es nicht. Cara und Heinrich sagten, man dürfe solch einen armen Hasen doch nicht schlachten, der sähe so süß aus. Ich verrate nichts Neues, wenn ich behaupte, er schmeckt auch süß. Cara soll sich außerdem an Ostern vor drei Jahren erinnern. Da hatte sie eine geringere Beißhemmung, aber da war auch Wut im Spiel und die tut manchmal, aber wirklich nur manchmal, gut.

Und mein Gourmand-Gourmet-Bruder hat sich bestimmt von Biggie beeinflussen lassen, die neulich zusammen mit anderen Freundinnen bei Cara zu Besuch war. Zur Erinnerung, Biggie ist die Shopping-Queen. Sie hatte aber auch mal ein Kaninchen, dem obigen Hasen nicht unähnlich, und seitdem mag sie kein Fleisch mehr essen. Sie ist bekennende Vegetarierin.

Als sie neulich kam, brachte sie was zu essen mit, für alle, fast. Cara hatte natürlich auch was vorbereitet, aufwändiges Fingerfood, aber ohne Paprika und Knoblauch, weil Biggie das nicht verträgt. Biggie trug ein beeindruckend großes Tablett herein, dem ein verführerischer Duft entströmte, dem ich mich nicht entziehen konnte. Nein, sie hatte nicht selbst gekocht, sie hatte kochen lassen. Aber das war mir wurscht. Ich roch Fisch. Und heraus kamen diese kleinen Reis-Röllchen. Ich konnte mich gar nicht mehr zurückhalten, wobei mich der Reis weniger und das scharfe Zeugs dazu überhaupt nicht interessierten.  Cara, die keinen Fisch verträgt, machte ein langes Gesicht und konnte ihre Zunge nicht im Zaume halten. Im Nu  entbrannte eine hitzige Debatte, ob man denn Vegetarier sei, wenn man Fisch esse. Cara fand es bigott und sagte das auch. Fische seien schließlich auch Tiere. Biggie hielt ihr vor, sie sei nur sauer, weil sie die leckeren Röllchen nicht vertrage. Fisch sei aber gesund und Cara würde sicher einiges fehlen. Maria, die auch zu Besuch war, stimmte Biggie zu, Fisch sei äußerst wichtig wegen des hohen Anteils an B6 und B12, das sei gut für stählerne Nerven. Sie könne sich ein Leben ohne Fisch jedenfalls nicht vorstellen, nur dürfe er nicht in Sahnesoße zubereitet sein, dann bekäme sie Bauchweh. Überhaupt diese ganzen Milchprodukte, vor allem Käse, verkleben nur den Magen und seien nicht gut für die Blutfettwerte. Ich  hörte Cara nur vor sich hin brummeln: „Scheiß auf das LDL!“

Puh, die Diskussion nahm Fahrt auf und versprach, dass es  ein  lebendiger Abend würde. Nur Gina schwieg. Sie aß das eine oder andere Sushi-Röllchen und befand eher kleinlaut, dass es ihr mit den Dingern wie mit Tapas oder Fingerfood gehe. Dieser Kleinkram sei nichts für sie.  Es gehe doch nichts über ein echtes deutsches Abendbrot. „Oh, kannst du haben“, sagte Cara, legte ihr das leckere Krustenbrot hin, die Cervelatwurst und den deutschen Obatzda dazu, der gut gegen die Fischröllchen anstinken konnte. „Jeder nach seiner Façon“, meinte Cara, und gab sich scheinbar tolerant.

Dann holte sie noch das 2-Personen-Raclette-Gerät hervor, schnitt mehrere dicke Scheiben Käse  und Schinken ab und ließ das Ganze unter dem Grill ins Schwitzen kommen. Genüsslich schob sie sich ein Stück Brot mit dem Käse-Schinken-Mix rein. Als Biggie das sah, meinte sie: „Oh, wenn ich diesen Schinken sehe, wird mir ganz anders. Das arme Schwein. Wenn man bedenkt, unter welchen Bedingungen es aufgezogen und geschlachtet wurde!“  Mal ehrlich, sie konnte nicht wissen, ob das Schwein ein glückliches oder ein armes gewesen war, nur dass es  jetzt auf jeden Fall mausetot war.

Mit einem Mal bemerkte ich, wie die Ader an Caras Hals immer mehr anschwoll und es darin immer heftiger pochte. Vielleicht doch zu viel LDL oder zu wenig B6 und B12, dachte ich bei mir, hielt mich aber zurück. Plötzlich stieß sie mit lauter Stimme hervor. „So, jetzt ist Finale, ihr Lieben!“ Ich glaubte, sie wolle alle rausschmeißen, aber sie holte nur das Fleischmesser aus der Schublade und stieß dem Tigerhasen mitten in den Rücken, brach ihn so auf, dass  jeder Jäger seine Freude gehabt hätte. „Bedient euch, los, ran an den Speck!“ Man soll es nicht glauben, aber Biggie war die erste, die sich ein großes Stück nahm. Nur Cathy, die bisher geschwiegen und genüsslich gegessen hatte, sagte: „Ach, für mich lieber nicht. Da sind Haselnüsse in der Schokolade und die vertrage ich nicht.“