Wir hatten einen schönen Sommer,
bis vor kurzem. Nun ist es bitterkalt geworden und Cara stellt abends die
Heizung an, auf der ich gern sitze und mir das Fell wärme. Manchmal scheucht
sie mich herunter, was ich gar nicht nett finde.
Und Cara gibt sich auch nicht damit
zufrieden, dass dieser Sommer und die Saison im Freien vorbei sein soll. So
will sie ihren Balkon aufpeppen und kümmert sich um die Herbstbepflanzung.
Ausnahmsweise durfte ich zum Einkaufen mit, das heißt, ich habe mich in ihre
Tasche geschmuggelt und – wie schon so oft – hat sie es nicht gemerkt.
Also
konnte ich ein Wörtchen mitreden, als es um die Wahl der Pflanzen ging. Sie
hatte sich für Astern und Myrte entschieden. Das fand ich in Ordnung. Doch dann
hat sie der Teufel geritten und sie hat ganz verzückt die Zwerge in die Hand
genommen, die im Geschäft auf dem Regal standen. Sie wollte doch tatsächlich drei
dieser bärtigen Gesellen mit nach Hause nehmen und auf den Balkon stellen. Das
sei so schön retro, meinte sie. Ja, alles, was retro oder vintage ist, gefällt
momentan, so hässlich es auch aussehen mag. Nicht umsonst nennen es viele
shabby chic. Damit ist ja wohl alles gesagt.
Gleich tauche ich ab |
Doch darum ging es mir im Grunde
nicht, dass sie was Hässliches, das oll aussieht, kauft, sondern ich erinnerte
mich an ein Märchen, in dem ein Bär und ein Zwerg eine ganz besondere Rolle
spielen. Bei einigen meiner Leser wird es jetzt klick machen und sie wissen,
was ich meine. So sehr ich auch über die Gebrüder Grimm und ihr Märchen Aschenputtel entsetzt bin, so sehr gefällt mir ihr Märchen Schneeweißchen
und Rosenrot. Cara kannte es bisher nicht, denn sonst wäre sie wohl kaum auf
die absurde Idee gekommen, sich diese Zwerge ins Haus zu holen.
Ich habe dann im Geschäft mal
kurz für alle das Märchen zum Besten gegeben. Also, dass die beiden Mädchen den
Bären im Winter in ihr Haus holen und es dulden, dass er sich am Ofen (Heizung
gab es damals noch nicht) wärmt, dass der Bär aber im Frühjahr wieder
verschwindet, die Mädchen dann auch ins Grüne gehen und drei Mal einem
widerlichen Zwerg in Not begegnen. Da die Mädchen aber ein Herz aus Gold haben, helfen
sie ihm, er jedoch zeigt sich undankbar, wird beim vierten Treffen sogar handgreiflich und so wütend
wie derweil Rumpelstilzchen. Da kommt dann der Bär ins Spiel und hilft den
Mädchen aus der Patsche, indem er den Zwerg erschlägt. Und schwuppdiwupp wird aus dem Bären ein schöner Prinz. Jetzt fragen sich vielleicht einige: Musste er den
Zwerg denn erschlagen? Nun, über Gewalt will ich nicht diskutieren, aber der
Zwerg hatte aus purer Habgier eben diesen Prinzen in einen Bären, genauer gesagt
in den Retter-Bären, verwandelt und ihm all seine Schätze geklaut. Das macht
man ja auch nicht. Und es wäre kein Märchen, würde nun der Prinz nicht auf der
Stelle Schneeweißchen heiraten. Doch nun kommt’s: Der Prinz hat noch einen
Bruder – so wie ich auch – und der heiratet natürlich Rosenrot.
Ich weiß
nicht, ob mir meine Leser aufmerksam gefolgt sind, aber ich sehe da gewisse Parallelen zum wirklichen Leben.
Auf jeden Fall aber habe ich Cara vor großem Unheil bewahrt, indem ich ihr vom
Kauf der Zwerge abgeraten habe.