Dienstag, 24. September 2013

Wer die Wahl hat und wer nicht


Am Sonntagvormittag brach hier Panik aus. Cara suchte ihre Wahlbenachrichtigung. Ich fragte mich, welche Benachrichtigung, denn ich hatte keine bekommen. Als ich sie fragend anschaute, sagte sie: „Nun guck nicht so, es dürfen nur Menschen wählen und auch nicht alle. Und manche Menschen wollen auch gar nicht wählen. So ist das nun mal.“  Mit so ist das nun mal speist man mich aber nicht ab. Da will ich eine Erklärung und zwar eine hieb- und stichfeste. Dass einige Menschen nicht zur Wahl gehen, hatte ich schon in diversen Talkshows und Politrunden erfahren. Ich muss gestehen, das hat mich ziemlich entsetzt. Keine der Parteien gefällt ihnen. Da sind aber einige ziemlich wählerisch. Wenn man mich fragt, muss man beherzt eine Entscheidung fällen, auch wenn einem nicht alles hundertprozentig in den Kram passt.

Darum war ich doppelt betrübt, dass ich nicht mitentscheiden durfte. Bären werden im Zoo bestaunt und zur Kultfigur und heißen dann Knut. Teddybären sind die liebsten Spielkameraden und Tröster, nicht nur für Kinder. Ein Bär steht sogar vor der Börse  zusammen mit einem Bullen. Und wenn der Bär das Sagen hat, dann wird ängstlich auf die Aktienkurse geguckt, im Internet, im Handelsblatt und wo auch immer. Das ist der Moment, wo wir für die Menschen von immenser Bedeutung sind. Nur wer dann ein bisschen Geld übrig hat, freut sich über diese bärigen Zeiten und kauft und kauft und kauft. Das wiederum freut den Dachs, den und das jetzt mal unter uns die Menschen immer Dax schreiben. Da sieht man mal wieder, wenn‘s um Geld geht, wird alles vernachlässigt, sogar die Rechtschreibung.

Nachdem ich mich von dem ersten Schrecken erholt hatte, dass ich an dieser Wahl nicht teilnehmen durfte, bin ich aber nicht unbeteiligt geblieben. Ab 18 Uhr lief hier der Fernseher. Cara hatte längst ihre Unterlagen gefunden, wo auch immer ihre Kreuzchen gemacht und war zu einer Wahlparty gegangen. Zusammen mit meinem Bruder Heinrich, Zottelinchen, Zotti, Baby Lou und Justin habe ich mir die erste Hochrechnung angesehen. Nach der zweiten wurde es Heinrich langweilig und er trottete in die Küche und wollte uns ein paar Canapées machen. Erst hatte ich gar nicht verstanden, was er wollte. Sofas basteln? Ich hätte drauf kommen müssen, bei meinem Bruder geht es immer ums Essen. Also, er hat uns ein paar Stückchen Brot leicht getoastet, die Rinde entfernt und dann mit dem belegt, was er im Kühlschrank fand. Man kann es nicht anders sagen, für so was hat er Sinn und die richtigen Tatzen. Es waren sehr leckere, üppig belegte Häppchen und der Kühlschrank ist nun leer. Doch wir waren fair, den Champagner von der Witwe haben wir nicht angerührt, nicht aus Mitgefühl mit der Witwe, sondern wegen Cara. Obwohl Justin meinte, für seine Zähne sei es kein Problem, das Drahtkörbchen zu knacken.

Doch wer sich jetzt fragt, wo die Rinde vom Brot geblieben ist, ob man die vielleicht einfach so in den Müll geworfen habe, der ist auf dem Holzweg. Gestern sind wir alle gemeinsam zum Kanal gegangen, Gänse füttern. Denn wir haben ein Herz für Tiere. Und ich könnte wetten, die Gänse durften auch nicht zur Wahl gehen. Sie haben es nicht leicht, denn ihre Zeit ist bald gekommen. Am 11. November ist Martinstag und danach kommt Weihnachten und dann sind sie nicht mehr auf dem Kanal. Nur die Menschen freuen sich über den leckeren Braten auf ihrem Tisch.

Und so bin ich fest entschlossen und werde nicht untätig bleiben. Die neue Kanzlerin oder der neue Kanzler – steht ja alles noch nicht fest – kann sich schon mal warm anziehen. Es wird eine Petition geben und wir werden das Wahlrecht für Tiere fordern. Über eine eigene Partei denke ich auch schon nach. In vier Jahren werden sich meine Leser an diese Worte erinnern und vielleicht treffen sie Politiker wieder, die sich jetzt politikverdrossen aus ihren Ämtern zurückziehen.

Dienstag, 17. September 2013

Zwetschgenkuchen und seine Tücken


Meine Leser haben sich bestimmt gewundert, dass ich eine solch lange Schreibpause eingelegt habe. Das geschah nicht freiwillig. Erst hat mich Cara zu Lisa in den Garten geschickt. Denn wie schon im letzten Jahr lautete das Motto: Zottel hilft bei der Ernte. Dieses Mal waren die Zwetschgen an der Reihe und ich rief: „Bäumchen rüttel dich, schüttel dich, wirf reife Früchte über mich.“ Das hat der Baum dann auch getan. Lisa hat sie aufgesammelt und einen leckeren Kuchen gebacken. Dabei musste sie allerdings feststellen, dass viele der Früchte ein bewegtes Innenleben hatten. Doch ähnlich wie bei Aschenputtel hieß es da: “Die Guten auf den Kuchen, die Schlechten soll’n das Weite suchen!“. Na ja, irgendwann war der Kuchen fertig und ich habe mich gefreut wie Bolle. Leider war ich nicht der Einzige, der an den Früchtchen Gefallen fand. Plötzlich flog eine Wespe in mein Gesicht, so richtig aggressiv, zack! Nur weil ich wie sie den Kuchen essen wollte. Und das Tückische, sie stach mich direkt unter mein linkes Auge. Es tat weh und schwoll an. Kann man das eigentlich noch sehen? 
Ich finde ja, mein linkes Auge ist immer noch geschwollen
 
Also das Thema Zwetschgenkuchen war damit für mich gegessen, denn ich konnte die ganze Zeit nicht richtig gucken, nur mit einem Auge wie Clarence, der schielende Löwe aus Daktari. Meinem Bruder ging es gut, ihn hatte natürlich keine Wespe gestochen. Und so hat er mir die ganze Zeit mit seinen Essensgeschichten in den Ohren gelegen. Allerdings hat er mich schon ein bisschen neugierig gemacht auf Frankreich. Als ich wieder einigermaßen aus den Augen gucken konnte, habe ich mir das Buch „Bonjour la France!“ vorgenommen. Es ist von einem deutschen Journalisten geschrieben und man erfährt viel über die Eigenarten unserer Nachbarn. Und ein bisschen lernt man auch ihre Sprache. Als Heinrich mal wieder von einem Essen schwärmte, das er dann auch noch gespreizt délicieux nannte, habe ich gesagt: „Oh, putain!“ Das hat mir böse Blicke von Cara eingetragen, denn sie flucht nicht. Sagt sie. Sie soll sich aber nicht so haben. Schließlich heißt es nur: "Verdammt, aber auch!" Wenn sie anscheinend angestrengt etwas schreibt, sagt sie öfters: „Zut, alors!“ Früher dachte ich, das sei ein Mantra, um sich zu konzentrieren. Nein, es heißt schlicht: „Verdammt, noch mal!“  Das zeigt mal wieder, wer Fremdsprachen kann, ist klar im Vorteil.     

Montag, 2. September 2013

Heinrichs Reisebericht – Teil 2: Kunst


Heinrich hat Hunger, denn er hat von Croissants geträumt
Mein Bruder kann gar nicht aufhören zu erzählen. Die Berichte über das tolle französische Essen gehen mir aber ganz schön auf den Geist. So habe ich zu ihm gesagt: “Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Seine Antwort: „Eben, darum haben sich die Franzosen ja auch diese leckeren Sachen ausgedacht, sodass das Brot nur eine kleine, aber knusprig-feine Beilage ist.“ Da habe ich es aufgegeben, mit ihm zu diskutieren und weiter zugehört. 

Also, als er mit Gina Roussillon wieder verließ, wo er sich – wie ich ihm prophezeit hatte – knallrote Tatzen geholt hat, haben sie nach einem schönen Hotel gesucht und dort Rast gemacht. Gina ist im Pool schwimmen gegangen und Heinrich hat schon mal die Speisenkarte studiert. Was auch sonst! Um meine Leser nicht zu langweilen, lass ich jetzt mal weg, was die beiden an diesem Abend gegessen haben. Gina wollte gerade die Rechnung verlangen, da wurde es am Nachbartisch laut. Ein kleiner rothaariger Junge machte seinen Eltern eine Riesenszene. Heinrich konnte nicht alles verstehen, denn der Junge sprach englisch. Nur manchmal hörte er, wie seine Mutter ihn ermahnte: Mortimer, it's incredible!“, What's your problem with Lou? oder Don‘t be so naughty!“ So viel hat Heinrich aber mitbekommen, dass der Junge seinen Teddybären immer wieder absichtlich unter den Tisch fallen ließ. Doch seine Mutter hat das natürlich gemerkt und es ihm nicht durchgehen lassen. Gina hat Heinrich dann noch haarklein erzählt, dass Mortimer nicht zusammen mit dem Teddy gesehen werden wollte, aus dem Alter sei er schließlich raus. Er sei doch kein Baby mehr. Was sollten denn die Leute denken! Aha, daher wehte der Wind. Für meinen Bruder stand fest, dass er mit Leute eigentlich das kleine Mädchen meinte, mit dem er den ganzen Nachmittag im Pool geplanscht und Ball gespielt hatte. Plötzlich steigerte sich Mortimers Trotz, sodass er den ehemals geliebten Bären wütend auf die Erde warf und aufs Zimmer rannte. Die Eltern – peinlich berührt – hinter ihm her. Da lag nun der Teddy – von niemandem aus der Familie beachtet auf den harten Kieselsteinen. Na, das hat Heinrich sofort an seine eigene Geschichte erinnert. Kann man ja verstehen. Gina wollte den Bären zur Rezeption bringen, doch da hat mein Bruder gesagt, das käme überhaupt nicht infrage. Er würde sich um Lou kümmern. Wenn die Eltern den Teddy achtlos liegen lassen, dann seien sie ebenso herzlos wie dieser verzogene Mortimer. So was habe er im Gespür. Unter uns, ich hätte genauso reagiert. Da zeigt sich mal wieder, dass wir Zwillingsbrüder sind. Gina hat schließlich nachgegeben, weil sie inzwischen Heinrichs Hartnäckigkeit kennt.

Am nächsten Tag sind sie alle zusammen nach Saint-Paul-de-Vence zur Stiftung Maeght gefahren. Jetzt ging es mal nicht ums Essen, sondern um Kunst. Heinrich und Lou waren schnell gelangweilt. Da hat Gina für sie einen Platz im Schatten gesucht und ihren Rundgang alleine fortgesetzt. Lou ist sofort eingeschlafen. Heinrich hat überhaupt festgestellt, dass Lou viel Schlaf braucht, wie ein Säugling. Darum nennt er ihn auch nein, nicht Schlafmütze –, so gehässig ist mein Bruder nicht. Baby Lou nennt er ihn. Doch man darf sich nicht täuschen lassen, wenn Lou wach wird, ist er sehr ausgeschlafen und strahlt vergnügt, als ginge ihm gerade eine ganz lustige Idee im Kopf herum.

Baby Lou
Als nun Gina zurückkam, wollten sie noch gemeinsam zu einigen Stätten und dann gäbe es endlich ein Eis. Kaum waren sie um die nächste Ecke gebogen, blickte Lou Heinrich verschwörerisch an und dann gab es für sie kein Halten mehr. Sie rannten, was die Beinchen schafften. Ein Gebilde, das aussah wie eine bunte, sich drehende Wippe, von welchem Künstler auch immer erstellt, war ihr Ziel. Heinrich sprang auf den roten Sitz, Lou auf den grauen und dann ging es rund. Plötzlich blieb ein Paar vor ihnen stehen und die Frau rief voller Begeisterung: „Herbert, sieh doch mal diese unglaubliche Installation mit den wippenden Teddybären! Ist das nicht großartig! Schau doch mal im Katalog nach, wer das gemacht hat.“ Heinrich und Baby Lou mussten sich stark beherrschen, um nicht laut loszulachen, und haben munter weiter gewippt. Inzwischen hatte auch Gina sie erreicht. Geistesgegenwärtig sagte sie zu dem Paar: „Ich glaube, das ist erst vor kurzem hier installiert worden. Vorne beim Ticketverkauf wissen die aber bestimmt, welcher Künstler diese geniale Idee hatte.“ Das Ehepaar schaute noch ein Weilchen dem bärigen Treiben zu und schlenderte dann zum Eingang des Ausstellungsgeländes. 

Was Gina dann zu Heinrich und Baby Lou gesagt hat, schreibe ich hier lieber nicht. Doch für die beiden stand fest, sie waren Teil eines Kunstwerks geworden. Das war nicht nur toll, sondern damit waren sie auch nicht mehr zu trennen. Das leuchtete selbst Gina ein, nachdem sie ihre Nerven mit einem Pastis beruhigt hatte. 

Heinrich und Lou - Teil eines Kunstwerkes