Samstag, 29. September 2012

Schweizer Uhren, Zeit und Vergänglichkeit

Dass die Schweiz berühmt ist für ihre Uhren, weiß nun wirklich jeder. Doch es gibt eine ganz besondere Uhr, und die hat es mir angetan. Sie hängt auf den Bahnhöfen der Schweiz. Immer wenn der Sekundenzeiger auf die Zwölf springt, dann stoppt er ein kleines Weilchen, bevor er weiter marschiert. Man stelle sich diese Uhr mal an Silvester vor, wenn alle ungeduldig darauf warten, dass der Zeiger endlich die Zwölf erreicht. Dann hätte man diesen kurzen Augenblick, um „Willkommen, neues Jahr!“ zu sagen. Ist schon der Hammer, dass diese Bahnhofsuhren das ständig so machen, jede Minute mit einem freundlichen Gruezi willkommen heißen. So was können eben nur die Schweizer hinkriegen.

Ganz genau so ist es mit der Schokolade. Da haben sie auch die Nase vorn. Und weil sie so hohe Berge haben, liegt es natürlich nahe, dass sie die Schokolade wie kleine Berggipfel machen. Das ist übrigens meine Lieblingsschokolade, denn da ist auch noch Honig drin. Darauf muss man erst einmal kommen und da braucht auch keiner mehr dümmlich zu fragen: Wer hat’s erfunden? Das liegt auf der Hand.

Schokolade wie die Berge in der Schweiz
 
Cara meint nun wieder, das Nachbarland habe auch hohe Berge und sei bei den Süßigkeiten unschlagbar. Sie spricht vom Sissi-Land und denkt an die Sachertorte und Linzer Torte und den Topfenstrudel. Na ja, sie hatte mal einen österreichischen Freund, da ist sie parteiisch, auch wenn es nicht gut ausgegangen ist. Ich habe ihr gleich gesagt, lass die Hände von dem, das ist ein Schlawiner. Und wer hat recht behalten? Ich natürlich. Man muss zwar viele Frösche küssen, aber doch nicht jeden. Nur was will man machen, die Liebe eben. 

Und nun denkt sie manchmal noch an ihn. Ich merke das immer, wenn sie Kaiserschmarrn macht. Also, da kann ich nur sagen, solch einen zerfetzten Pfannkuchen, den hat bestimmt kein Kaiser gegessen, und bei den Schweizern käme so etwas erst gar nicht auf den Tisch. Wenn die bei ihren Uhrwerken auch so unordentlich wären, dann wüsste man doch nie, was die Stunde geschlagen hat. Aber Cara zerreißt mit Hingabe den Pfannkuchen, als habe sie eine Sauwut, die sie rauslassen muss. Dann bestäubt sie ihn noch kräftig mit Puderzucker, damit das Malheur nicht ganz so furchtbar aussieht und putzt ihn ruckzuck weg. Die wehmütigen Blicke müssten meine Leser mal sehen, wenn der Teller leer ist, wie sie sich seufzend zurücklehnt und ein „Ach, ja!“ hervorpresst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie dann nur bedauert, dass sie den Pfannkuchen zerrissen hat. Eines weiß ich aber gewiss und da hilft auch keine noch so teure Uhr, die Zeit heilt längst nicht alle Wunden.

Sonntag, 23. September 2012

Schweigen, tanzen und dann ins Ballett

Zottelinchen war am Freitag im Ballett. Cara hat sie in ihrer großen Handtasche in die Oper geschmuggelt. Ja, da wundert sich der Leser, dass Cara so was macht. Ich mich auch. Doch manchmal sind meine Ideen so genial, dass sie einfach nicht anders kann. 

Es ist nämlich so, dass Zottelinchen kaum spricht, und das nach all der Zeit, die sie schon hier lebt. Sie antwortet, wenn sie gefragt wird, aber nur mit zwei, drei Worten, sagt eben nur das Allernötigste. Mir geht das manchmal auf den Geist, denn ich bin nun mal sehr mitteilsam. Ich glaube, ich erwähnte es bereits, das ist uns Zwilling-Geborenen so in die Wiege gelegt. Gerade haben wir über etwas nachgedacht, schon müssen wir darüber reden und reden und manchmal sogar schreiben. Vielleicht ist Zottelinchen ja im Zeichen der Fische geboren, das würde die Schweigsamkeit erklären. Man macht sich schließlich so seine Gedanken.

Wenn man sie allerdings heimlich beobachtet, dann sieht man sie tanzen. Erklingt hier im Haus Musik, dann dreht sie Pirouetten und macht mutige Sprünge und Stepps, zu denen ich gar nicht in der Lage wäre. Also habe ich das Ballett-Programm durchgesehen und für sie was Schönes ausgesucht, nannte sich Nijinsky-Epilog. Nijinsky, nun die meisten werden es wissen, war ein begnadeter Tänzer, der wegen seiner wahnsinnigen Sprünge und Pirouetten berühmt wurde. Das passte nun haargenau zu Zottelinchen.  Solch ein Ballett-Besuch wird sie zu einem Schwall an Begeisterungsäußerungen hinreißen, das wurde mir klar. Also Cara mit ihr ins Ballett und ich als Gourmet zu meinem Freund Fritz, der mir ein leckeres Lachsfilet gebrutzelt hat. So hatten wir alle, was uns gefällt.

Als  die beiden vom Ballettbesuch zurückkamen, war ich längst wieder zuhause und lag schon auf der Lauer. Habe dann auch gleich gefragt: „Na, Zottelinchen, wie war es denn? Erzähl doch mal.“ „Schön“, war die Antwort. Ich habe ungläubig zu Cara geblickt. Sie aber meinte nur: „Zottel, ein Neumeier-Ballett anzusehen, das ist so beeindruckend, das verschlägt einem glatt die Sprache. Das musst du verstehen.“ Na toll, das war ja dann eine gute Idee.

Mittwoch, 19. September 2012

Herbst, Dominosteine und eine Reisdiät

Ich merke ganz deutlich, dass der Herbst kommt. Da brauche ich gar nicht auf den Kalender zu schauen, das habe ich im Gefühl. Bei uns Bären funktionieren die Instinkte nämlich noch. In freier Natur müssen wir in der kalten Jahreszeit eine Höhle aufsuchen, die Körpertemperatur einen Tick herunterfahren und von unseren angefutterten Pfunden zehren. Menschen sind da ähnlich, nur sie wissen es nicht. Natürlich müssen sie in keine Höhle, aber die Kuschelatmosphäre bei Kerzenlicht mit heißem Tee oder schrecklichem Glühwein und feinen Plätzchen, das ist pure Sehnsucht nach Wärme. Innen wie außen.

Cara sagt auch bereits seit vierzehn Tagen: „Ich kann es gar nicht mehr abwarten, bis endlich die Dominosteine in den Supermarkt kommen.“ Dann geht es wieder bis Ende Dezember los mit den schwergewichtigen Süßigkeiten und der anhaltend guten Laune. Diese ändert sich allerdings sprunghaft nach Weihnachten, wenn sie nicht mehr in ihre feinen, aber auch eng geschnittenen Klamotten passt, die sie gern zu Silvester tragen würde. Und so beginnt das neue Jahr mit dem Vorsatz, Diät zu halten. Das ist immer dasselbe Ritual, alle Jahre wieder. 

Also ehrlich, die Phase bis Weihnachten gefällt mir besser. Was danach kommt ist ein Stimmungstief der feinsten Sorte. Cara macht dann tatsächlich eine Diät. In diesem Jahr war es eine Reisdiät, die große fernöstliche Weisheit einer Frauenzeitschrift. Morgens gab es einen Reiscracker, pur bitte schön. Wer so ein Ding schon mal probiert hat, der weiß, dass man sehr viel dazu trinken muss, damit es nicht staubt. Auf den Geschmack will ich jetzt mal nicht eingehen, denn er hat keinen. Da ziehe ich doch die Schoko-Variante namens Puffreis vor.  Man kommt auch schnell darauf, warum er diesen Namen verpasst bekam. Er bereitet Lust, und die will man stillen. Da auch Cara nicht nur von einem Reiscracker am Tag leben kann, hatte sie sich mit ihrer Freundin Biggie etwas Kluges ausgedacht. Um bei einer Diät nicht einzuknicken, muss man sich zwischendurch auch mal belohnen. Also sind die beiden eine Woche lang jeden Abend zu ihrem Lieblingsinder Gandhi gegangen. Wer sich Bilder von Mahatma Gandhi ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass solch ein schlankes Vorbild motiviert. Also, Cara kam immer recht vergnügt nach Hause. Das war ja sehr schön, nur hat es mich auch etwas stutzig gemacht. Kann man vom Reis allein so fröhlich sein?

Die Fröhlichkeit hielt aber nicht lange an. Nach dieser Diät-Woche kam der große Showdown, der Schritt auf die Waage. Sie war unerbittlich und zeigte fast zwei Kilo mehr an. Ich habe mich schnell weggeduckt, denn ich fürchtete, die Stimmung würde für ein paar Tage nicht auszuhalten sein. Irgendwann hörte ich aus der Küche Caras Stimme: „Oh, ist das gut!“ Da habe ich mal vorsichtig um die Ecke geguckt. Sie hatte noch eine Schachtel mit Dominosteinen gefunden und nun wieder dieses verzückte Lächeln auf den Lippen. Reiscracker gibt es seitdem nicht mehr hier im Haus.


Donnerstag, 13. September 2012

Seinem Schreibstil treu bleiben und der Umgang mit Kritik

Mein Freund Uwe liest regelmäßig meine Posts, so auch meinen letzten Beitrag, den über Rapunzelchens Entwicklung. Sein Kommentar lautetete: „Zottel, das bist nicht du, der da spricht.“ Na, geht es etwas deutlicher, guter Freund? Was sollen mir diese harschen Worte sagen?, dachte ich, behielt es aber für mich. Und siehe da, es ging in der Tat deutlicher. Uwe meinte, ich hätte eine aufgesetzte, zu gewählte Sprache, die nicht zu dem passt, was ich sonst schreibe, und das verunsichere den Leser oder verschrecke ihn gar. Im ersten Moment war ich stinksauer. Was bildet der sich ein! Jemand, der selbst nicht schreibt, sieht man mal von den Briefen an seine Versicherung und Krankenkasse ab, maßt sich ein Urteil über meine Gefühle an und wie ich sie zum Ausdruck bringe. Pflanzen und ihr Wohlergehen liegen mir nun mal am Herzen.

Ein Geschenk von Uwe
Doch nach einem Weilchen hatte ich mich wieder beruhigt und daran erinnert, dass ein guter Freund, der mir ein Deutschland-Fähnchen zur EM geschenkt hat, ja kein böswilliger Miesmacher sein kann. Vielleicht hat er Recht und ich habe den Stil anderer Autoren kopiert, die ich zuvor gelesen habe. Kommt alles vor. Wer schreibt, soll nämlich nicht lesen, habe ich mal gehört. Da ist möglicherweise was dran. Schnell ist man dabei und schreibt dann so ähnlich wie Thomas Mann. Also, ich jetzt nicht, war nur so ein Beispiel.

Kurz und gut, ich habe Uwe verziehen. Und als Versöhnungsessen wollte ich diese leckeren kleinen Reishäppchen bestellen, die aussehen wie Sushi, aber keines sind, weil sie nichts aus dem Meer enthalten. Uwe verträgt nämlich keinen Fisch, muss man wissen. Doch als ich bei dem Lieferservice anrief, habe ich erfahren, dass sie im Moment nichts produzieren. Jemand hat ihnen ihren Firmennamen streitig gemacht. Sie heißen nämlich Goshi. Und da sie diesen Namen nicht mehr führen dürfen, habe ich ihn hier auch gleich wieder durchgestrichen. Unsere Enttäuschung war natürlich groß und wir hoffen, dass es diese Röllchen bald wieder gibt, unter welchem Namen auch immer.

Doch, meine Leser wissen es längst, Zottel hat immer einen Plan B. Wir haben uns dann eine Pizza aufgebacken. Von welcher Firma die war, wird hier nicht verraten. Mein Blog ist schließlich keine Werbeplattform. Wäre ja noch schöner!

Donnerstag, 6. September 2012

Mit Pflanzen sprechen und Wachstum fördern

Ich hatte im Juni bereits ein wissenschaftliches Experiment unternommen, um Pflanzen zu verstehen. Dabei hatte ich – wie angeraten – an den Wurzeln gelauscht. Meine charmanten Versuchskandidatinnen waren zwei Orchideen, das Goldstück und Rapunzel, wie sich der eine oder andere Leser erinnern wird.

Nun ein Bild von Rapunzel heute. Der Fortschritt ist vielleicht nicht für jedermann klar erkennbar, aber es ist ein stolzes neues Blatt hinzugekommen. Das sind kleine Erfolge, aber auch die zählen. Verstehen kann ich Rapunzel zwar noch immer nicht, aber es liegt nicht, wie ehedem angenommen, an meinem Hörvermögen, sondern muss auf ein traumatisches Ereignis zurückzuführen sein. Denn ich bin Rapunzels Geschichte nachgegangen. 

Rapunzel mit dem neuen Blatt
 
Von Cara erfuhr ich, dass sie Rapunzel gerettet hat. Irgendein garstiger Mensch hatte sie auf eine Mülltonne gestellt, quasi der Entsorgung überantwortet. Rapunzel hatte nur noch ein Blatt, wenige Wurzeln und natürlich keine Blüten. Ich frage meine Leser, macht man so was? Die Pflanze lebte doch noch! Wer sich mit Orchideen beschäftigt, der weiß, dass es Geduld erfordert, um zu sehen, wie sie wieder aufblühen. Cara hat zwar Rapunzel gerettet, doch die Sprache hat die Pflanze noch nicht wiedergefunden. Man weiß es ja, beispielsweise aus dem Film „Das Geisterhaus“, traumatische Geschehnisse haben auf sensible Wesen eine tiefe Wirkung und können zu Sprachlosigkeit führen, auch Mutismus genannt. So erging es in dem Film Clara, die unbeabsichtigt Zeugin der Obduktion ihrer Schwester wurde. Kann man schon nachvollziehen, dass es da jemandem die Sprache verschlägt.

Ähnlich wird es bei Rapunzel gewesen sein, als man sie aussetzte. Vor einer Woche noch im wohlig warmen Wohnzimmer von allen Besuchern ob der Blütenpracht bewundert, nun der Gesellschaft für nicht mehr würdig befunden. Das ist ein Schock. Da fühlt man doch mit. Ich sehe es aber als ein gutes Zeichen an, dass Rapunzel erst die vielen Wurzeln und jetzt ein Blatt hervorgebracht hat. Ganz unbeteiligt bin ich daran aber nicht. Ich habe jeden Tag nach ihr geschaut und Dinge gesagt wie: „Lass mich dein Esteban Trueba sein und ich werde für dich sorgen, was immer dir auch fehlt.“ Ja, so romantisch kann ich sein, das hätte vielleicht der eine oder andere nicht vermutet. Ich bekam zwar erst mal keine Antwort, doch eines Tages erblickte ich, wie sich da so ganz klein das winzige Blatt im frischen Grün zeigte. Na, wenn das kein Zeichen ist. Nun warte ich geduldig auf ihren ersten zaghaften Klicklaut, mit dem sie sich mir in Dankbarkeit mitteilt. 
Mein Rapunzelchen