Mittwoch, 19. September 2012

Herbst, Dominosteine und eine Reisdiät

Ich merke ganz deutlich, dass der Herbst kommt. Da brauche ich gar nicht auf den Kalender zu schauen, das habe ich im Gefühl. Bei uns Bären funktionieren die Instinkte nämlich noch. In freier Natur müssen wir in der kalten Jahreszeit eine Höhle aufsuchen, die Körpertemperatur einen Tick herunterfahren und von unseren angefutterten Pfunden zehren. Menschen sind da ähnlich, nur sie wissen es nicht. Natürlich müssen sie in keine Höhle, aber die Kuschelatmosphäre bei Kerzenlicht mit heißem Tee oder schrecklichem Glühwein und feinen Plätzchen, das ist pure Sehnsucht nach Wärme. Innen wie außen.

Cara sagt auch bereits seit vierzehn Tagen: „Ich kann es gar nicht mehr abwarten, bis endlich die Dominosteine in den Supermarkt kommen.“ Dann geht es wieder bis Ende Dezember los mit den schwergewichtigen Süßigkeiten und der anhaltend guten Laune. Diese ändert sich allerdings sprunghaft nach Weihnachten, wenn sie nicht mehr in ihre feinen, aber auch eng geschnittenen Klamotten passt, die sie gern zu Silvester tragen würde. Und so beginnt das neue Jahr mit dem Vorsatz, Diät zu halten. Das ist immer dasselbe Ritual, alle Jahre wieder. 

Also ehrlich, die Phase bis Weihnachten gefällt mir besser. Was danach kommt ist ein Stimmungstief der feinsten Sorte. Cara macht dann tatsächlich eine Diät. In diesem Jahr war es eine Reisdiät, die große fernöstliche Weisheit einer Frauenzeitschrift. Morgens gab es einen Reiscracker, pur bitte schön. Wer so ein Ding schon mal probiert hat, der weiß, dass man sehr viel dazu trinken muss, damit es nicht staubt. Auf den Geschmack will ich jetzt mal nicht eingehen, denn er hat keinen. Da ziehe ich doch die Schoko-Variante namens Puffreis vor.  Man kommt auch schnell darauf, warum er diesen Namen verpasst bekam. Er bereitet Lust, und die will man stillen. Da auch Cara nicht nur von einem Reiscracker am Tag leben kann, hatte sie sich mit ihrer Freundin Biggie etwas Kluges ausgedacht. Um bei einer Diät nicht einzuknicken, muss man sich zwischendurch auch mal belohnen. Also sind die beiden eine Woche lang jeden Abend zu ihrem Lieblingsinder Gandhi gegangen. Wer sich Bilder von Mahatma Gandhi ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass solch ein schlankes Vorbild motiviert. Also, Cara kam immer recht vergnügt nach Hause. Das war ja sehr schön, nur hat es mich auch etwas stutzig gemacht. Kann man vom Reis allein so fröhlich sein?

Die Fröhlichkeit hielt aber nicht lange an. Nach dieser Diät-Woche kam der große Showdown, der Schritt auf die Waage. Sie war unerbittlich und zeigte fast zwei Kilo mehr an. Ich habe mich schnell weggeduckt, denn ich fürchtete, die Stimmung würde für ein paar Tage nicht auszuhalten sein. Irgendwann hörte ich aus der Küche Caras Stimme: „Oh, ist das gut!“ Da habe ich mal vorsichtig um die Ecke geguckt. Sie hatte noch eine Schachtel mit Dominosteinen gefunden und nun wieder dieses verzückte Lächeln auf den Lippen. Reiscracker gibt es seitdem nicht mehr hier im Haus.