Dienstag, 19. Juni 2012

Maria, Burnout und Cantuccini


Gestern hat uns Maria besucht. Ich mag Maria mit ihren langen schwarzen Haaren sehr. Sie ist eine schöne Frau. Nun war sie viele Wochen nicht mehr bei uns, denn sie war krank, hatte einen Burnout. Wobei es diese Krankheit ja eigentlich gar nicht gibt, haben die Ärzte plötzlich festgestellt. Sie finden sie einfach nicht mehr in ihren Listen und schlauen Büchern. Das muss man sich mal vorstellen, da verschwindet so eine Krankheit von einem Tag auf den anderen, nachdem man jahrelang nur Burnout gelesen und gehört hat. Jetzt heißt es korrekt Erschöpfungssyndrom. Nun gut! Einige behaupten auch, es läge an den Kranken, sie hätten den Burnout für sich erfunden, weil sie das schick fänden. Doch die Verantwortung für ihre Krankheit wollten sie nicht übernehmen, sondern der Gesellschaft die Schuld in die Schuhe schieben.

Ich glaube, bei Maria ist das anders, sie hat gestern gesagt. „Ich habe es übertrieben, ich konnte nicht nein sagen. Dabei habe ich gar nicht gemerkt, dass es mir zu viel wurde. Ich war so ein dummes Schaf.“ Ein Schaf ist Maria ganz gewiss nicht, sondern eine intelligente Italienerin aus Ligurien. Dort haben ihre Eltern übrigens einen Alimentari. Sie hat uns Fotos von dem schönen Geschäft gezeigt, wo man all die hausgemachten Pastasorten und das leckere Pesto und die getrockneten Tomaten und die Oliven und vor allem die Cantuccini kaufen kann. Oh, die Cantuccini, manchmal träume ich nachts davon und auch ein bisschen von Maria. Gestern hat uns Maria welche gebacken, extra für Cara und mich, wie sie das  immer getan hat, bevor sie krank wurde. Ich hoffe nur, das hat sie nicht zu sehr angestrengt, denn sie soll ja mit ihren Kräften haushalten.

Also hat Cara Kakao gekocht und wir haben diese traumhaften Mandelkekse geknabbert. Früher haben Cara und Maria die Cantuccini immer in Vino Santo getunkt und waren nach einer Weile puppenlustig, mitten am Nachmittag. Doch Maria muss nun Tabletten einnehmen und die vertragen sich nicht mit Alkohol und auch nicht mit Kaffee. Und noch etwas war anders. Früher hatte Maria ständig ihr Blackberry und noch ein anderes Handy in der Hand (darum heißt es ja auch Handy) und konnte so blitzschnell auf Anrufe reagieren. Und es bimmelte sehr oft, manchmal gleichzeitig auf beiden Apparaten. Gestern aber war es mäuschenstill und Maria hat die ganze Zeit ihren Kakaobecher gestreichelt und das Schälchen mit den Keksen hin- und hergerückt. Oder sie hat an ihrem Schal gezupft, obwohl der gar nicht verrutscht war. Als sie ging, lag ihre Serviette da, in viele kleine Schnipsel zerteilt. So ganz gesund ist sie wohl doch noch nicht. Ich werde mal ein Auge auf Cara haben, die zerknüllt ihre Serviette nämlich immer zu einem ganz kleinen knittrigen Ball. Nicht dass sie auch diese Krankheit bekommt, die es gar nicht gibt.    
Cara hat fertig - hier ihre Serviette